Cochrane Review

Naturmedizin 1/2021

Kiefernrindenpräparate bei chronischen Krankheiten

Kiefernrindenextrakt wird oft aus der See- oder auch Meer-Kiefer (Pinus pinaster) gewonnen, die im Mittelmeerraum vorkommt. Der Nadelbaum wird bis zu 35 Meter hoch; die dicke, rotbraune Borke ist tiefrissig. Ein aktueller Update eines Cochrane Reviews ging der Frage nach, ob die Antioxidantien aus der Kiefernrinde bei der Behandlung chronischer Krankheiten helfen können. Hierbei legten die Autoren den gewohnt sehr strengen Maßstab an die Qualität der Studien an.
Die Hauptbestandteile von Kiefernrinden- Extraktzusätzen sind Proanthocyanidine, Flavanole die der Gruppe der Polyphenole zuzuordnen sind. Sie gelten als Antioxidantien. Diese Ergänzungsmittel werden vielfach angeboten und sollen einer Vielzahl chronischer Krankheiten vorbeugen oder sie behandeln. Der aktuelle Cochrane Review ist eine Aktualisierung eines Reviews, in dem die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Ergänzungsmittel bewertet wurde.
Die Autoren haben haben 27 Studien (1.641 Teilnehmer) mit über 10 chronischen Krankheiten eingeschlossen; zu diesen gehörten: Asthma (2 Studien; 86 Teilnehmer), Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung (ADHS) (1 Studie; 61 Teilnehmer), Herzerkrankungen und Herz-Kreislauf-Risikofaktoren (7 Studien; 332 Teilnehmer), chronische Veneninsuffizienz (2 Studien; 60 Teilnehmer), Diabetes (6 Studien; 336 Teilnehmer), erektile Dysfunktion (3 Studien; 227 Teilnehmer), weibliche sexuelle Dysfunktion (1 Studie; 75 Teilnehmer), Arthrose (Knorpelschädigung in Gelenken; 3 Studien; 293 Teilnehmer) Osteopenie (Beginn des Knochenmassenverlustes; 1 Studie; 44 Teilnehmer) und traumatische Hirnverletzung (1 Studie; 56 Teilnehmer). 2 der Studien wurden ausschließlich mit Kindern durchgeführt, die anderen Studien mit Erwachsenen.
In den Studien wurden Kiefernrindenpräparate mit Placebo oder nicht-antioxidativen Interventionen verglichen, und die Teilnehmer wurden zufällig für die eine oder andere Behandlung ausgewählt. Die Behandlungsdauer lag zwischen 4 Wochen und 6 Monaten.
 
Ergebnisse
Bei Erwachsenen mit Asthma wissen die Autoren nicht, ob Kiefernrindenextrakt die Lungenfunktion erhöht, Asthmasymptome verbessert oder die Anzahl der Personen erhöht, die die Verwendung von Albuterol-Inhalatoren einsparen können. Bei Kindern mit ADHS wissen sie nicht, ob Kiefernrindenpräparate die Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität verringern (von Eltern und Lehrern bewertet) oder ob sie die Koordination und Konzentration erhöhen. Bei Menschen mit Herzerkrankungen wissen die Reviewautoren nicht, ob Kiefernrindenpräparate den Blutdruck und das LDL-Cholesterin (der schlechte Typ) senken oder ob es das HDL-Cholesterin erhöht. Auch bei Erwachsenen mit chronischer Veneninsuffizienz wissen die Forscher nicht, ob Kiefernrindenpräparate die Schmerzen lindern, die Anzahl der schmerzfreien Menschen erhöhen oder welcher Ansicht Ärzte über die Effektivität der Behandlung sind. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes wissen sie nicht, ob Kiefernrindenpräparate den Blutzuckerspiegel oder den HbA1c-Spiegel verbessern (der Langzeitmarker zur Messung der Blutzuckerkontrolle). Auch ist nicht sicher, ob Kiefernrindenpräparate den Laborwert HbA1c bei Menschen mit Typ 1- oder Typ 2-Diabetes senken.
Bei Männern mit erektiler Dysfunktion wissen sie nicht, ob Kiefernrindenpräparate die erektile Funktion erhöhen. In ähnlicher Weise wissen sie bei Frauen mit sexueller Dysfunktion nicht, ob Kiefernrindenpräparate die sexuelle Zufriedenheit erhöhen oder Schmerzen lindern. Bei Erwachsenen mit Arthrose ist nicht klar, ob Kiefernrindenpräparate Schmerzen, Schwellungen oder Steifheit im Knie verbessern oder ob sie den Einsatz entzündungshemmender Medikamente verringern. Sie wissen auch nicht, ob Kiefernrindenpräparate die Knochenbildung bei postmenopausalen Frauen mit geschwächten Knochen erhöhen. Schließlich ist bei Menschen mit einer traumatischen Hirnverletzung nicht klar, ob Kiefernrindenpräparate das Gedächtnis und die Symptome nach einer Gehirnerschütterung verbessern.
 
Fazit
In den Studien wurde nicht davon berichtet, dass es aufgrund der Intervention zu Krankenhauseinweisungen oder schwerwiegenden Nebenwirkungen kam.
Die Reviewautoren kommen zu dem Schluss, dass die bis zum September 2019 berücksichtigte Evidenz nicht für eine klare Aussage reicht, ob Kiefernrindenpräparate wirksam bzw. sicher sind. Man kann aus den Ergebnissen also nicht sicher sagen, dass mit den aktuellen Methoden der evidenzbasierten Medizin die Wirksamkeit belegt ist.Genauso kann man aber auch nicht sagen, dass die Wirksamkeit widerlegt ist.
Man wird sich also weiterhin beim Einsatz dieser Präparate auf die eigene klinische Erfahrung, die sogenannte interne Evidenz, stützen müssen.
Quelle: Robertson NU et al.: Pine bark (Pinus spp.) extract for treating chronic disorders. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 9. Art. No.: CD008294. doi: 10.1002/14651858.CD008294.pub5.

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